Christliche Initiative Backnang

Impressionen




Gute erste Kinderjahre

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Die Christliche Initiative Backnang hatte zu einer Samstagvormittags-Veranstaltung zu diesem wichtigen Thema ins Backnanger Bürgerhaus eingeladen. Referentin war die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin Gisela Geist aus Stuttgart.

Zusammengekommen war ein hochkarätiges, engagiertes und diskussionsfreudiges Publikum aus Eltern, Kinderbetreuungs-Profis und Gemeinderäten.

Frau Geist stellte das Thema aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als Therapeutin, Supervisorin in Kindertagesstätten, Mutter und Großmutter sehr lebendig und kurzweilig dar, untermauert mit vielen Bildern, Skizzen und Zitaten aus Studien und Untersuchungen. Die eineinhalb Stunden Vortrag vergingen wie im Flug und wohl jeder wurde an eigene Erlebnisse und Erfahrungen erinnert.

Kurzes Fazit des Vortrags: Die wichtigste Voraussetzung für die stabile psychische Entwicklung eines Menschen ist, dass er/sie in seinem ersten Lebensjahr eine sichere Bindung zu einer ersten Bindungsperson, normalerweise der Mutter, entwickelt. Dies geschieht durch häufigen Haut- und Augenkontakt, Stillen, Wickeln, Wahrnehmen der Bedürfnisse des Kindes, auf diese Eingehen und jede andere Art der direkten Zuwendung. Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres kann eine zweite Bindungsperson, meistens der Vater, dazukommen. Entwickelt sich diese sichere Bindung nicht, kann das gravierende negative Folgen für das ganze weitere Leben haben. Darüber sind sich sämtliche Pädagogik- und Sozialwissenschaftler einig.

Erst im zweiten Lebensjahr kann ein Kind den Unterschied zwischen sich und der ersten Bindungsperson wahrnehmen und damit eine eigene Identität entwickeln. Dann kann es allmählich eine Beziehung zu weiteren Erwachsenen aufnehmen, wenn es mit der ersten Bindung geklappt hat.

Im dritten Jahr nimmt ein Kind dann zunehmend auch andere Kinder wahr. Erst am Ende des dritten Jahres, manche auch erst im vierten Lebensjahr sind Kinder in der Lage, mit anderen Kindern zu spielen und dabei Sozialverhalten zu erlernen.

Diese guten Entwicklungsbedingungen kann normalerweise eine Mutter viel besser bieten als die Mitarbeiterin einer Kindertagesstätte. Das liegt natürlich nicht an deren fehlendem guten Willen, sondern zum Beispiel daran, dass eine Krippengruppe zehn Kinder umfasst, die Betreuungszeiten länger sind als die Arbeitszeiten der Erzieherinnen und diese wegen Personalmangel, Krankheit, Urlaub, Dokumentationspflichten, Schichtwechsel, Aushilfe in anderen Tagesstätten usw. gar nicht anwesend sein können. Zu viel „unnötiger“ Hautkontakt soll ja aus bekannten Gründen sowieso vermieden werden. Und Augenkontakt? Eine Erzieherin hat eben nur ein Paar Augen für die zehn Kinder ihrer Krippengruppe.

Nach dem Vortrag entwickelte sich eine sehr lebhafte und engagierte Diskussion, hauptsächlich über die Frage, was wir in Backnang konkret dazu beitragen können, dass wir diesen wissenschaftlichen Tatsachen gerecht werden können, also dass möglichst viele Backnanger Kinder die Chance haben, eine sichere Bindung zu entwickeln und zu halten und später dann ein gelingendes Sozialverhalten zeigen. Die Anwesenden waren sich einig, dass von der großen Politik da nicht viel Hilfe erwartet werden kann, weil es da viel bedeutender ist, dass möglichst jede Mutter möglichst viele Sunden arbeitet. Heute eine Mutter, die Wirtschaftsleistung erbringt und Steuern zahlt, ist wichtiger als ein psychisch stabiler Jugendlicher mit gutem Sozialverhalten in 16 Jahren.

Alle Anwesenden, die sich äußerten, sahen es als Voraussetzung für Fortschritte, dass hier in Backnang, um vorwärts zu kommen, die Bindungs- und Erziehungsarbeit besser anerkannt und geachtet werden muss, auch finanziell. Wenn eine Mutter ganztags arbeiten muss, weil sie sonst die Wohnung nicht bezahlen kann, ist es natürlich schwer bis unmöglich, für die Bindung zum Kind zur Verfügung zu stehen. Es wurden dann verschiedene Möglichkeiten überlegt, was es in Backnang für Möglichkeiten geben könnte, Eltern so zu entlasten, dass die Chancen auf eine sichere Bindung zu ihrem Kind sich erhöhen. Dazu braucht es oft Geld und manchmal auch Information, Anleitung und Erfahrungsaustausch. Entsprechende Wünsche an den Gemeinderat wurden formuliert. Und die Anwesenden machten auf die verschiedensten hilfreichen Angebote aufmerksam, die jetzt schon bestehen und zum Teil wenig bekannt sind.

In der Diskussion wurde auch klar und von Frau Geist bestätigt, dass es in der Frage, ob Eltern- oder Tagesstättenerziehung besser ist, auch bei kleinen Kindern kein Schwarz-Weiß-Prinzip gibt. Bei bis zu 10% der Kinder kann es sein, dass ein Krippenbesuch auch schon in den ersten drei Lebensjahren gebraucht wird, weil die Mutter aus den verschiedensten Gründen keine sichere Bindung bieten kann. Auch da gilt aber, dass möglichst kurze Betreuungszeiten, wenige Kinder pro Erzieherin und möglichst immer die gleiche Erzieherin wichtig sind. In einem solchen Fall muss sehr individuell angeschaut werden, was das beste für das Kind ist.

Am Schluss machte sich noch ein allgemeines Erstaunen und auch ein bisschen Empörung darüber breit, wie wenig in diesen Fragen bisher von den Bedürfnissen der Kinder ausgegangen wird, ja wie wenig diese überhaupt bekannt sind. Vielleicht hat sich der eine oder die andere vorgenommen, da in ihrem Einflussbereich etwas zu ändern.

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